SparkassenZeitung 11/20 ARBEIT UND LEBEN 27 wesend sind und sich austauschen kön- nen. Ein Jobsharing kann aber auch aus zwei Vollzeit- oder einer Vollzeit und ei- ner Teilzeitstelle bestehen. Vor acht Jahren intensivierte die Ver- sicherungskammer ihre Frauenförderung, die kurz darauf Teil eines breiter ausgerich- teten Diversity-Programms wurde. Hier entwickeln Arbeitsgruppen auf freiwilliger Basis Lösungen rund um Vielfalt in der Ar- beitswelt. Jedes Jahr, so berichtet die Un- ternehmenssprecherin, kämen neue The- men dazu. Das Jobsharing ist Teil dieses Diversity-Programms. Es stehe Männern und Frauen, Mitarbeitern und Führungs- kräften gleichermaßen offen. Aktuell gibt es im Konzern sechs Abteilungsleiter-Tan- dems. Und in der IT sind seit Neuestem die fachliche und die disziplinarische Führung getrennt, ein Modell, das jetzt von rund 80 Führungskräften gelebt wird. Während sich die einen der Weiterentwicklung der Mitarbeitenden widmen, stehen bei den anderen fachliche Themen und Kunden- wünsche im Vordergrund. Viele Wege zur Partnerschaft Ein Weg zur gemeinsamen Aufgabe ist das Social Intranet der Versicherungskammer. Diese Plattform vernetzt die Mitarbeiter hierarchie- und standortübergreifend. Dort können sich Interessierte über die Vorteile und das Vorgehen beim Job- sharing informieren – und in der betref- fenden Community auch gleich einen vertraulichen Steckbrief hinterlegen. Job- sharing-Partner finden sich aber auch per Vermittlung durch die Personalabteilung oder indem sie einander einfach selbst an- sprechen. Darüber hinaus werden Stellen auch gezielt mit der Möglichkeit zum Job- sharing ausgeschrieben. – den Weg bringen. Dabei geben wir auch den Mitarbeitenden Raum, um selbst zu gestalten. Rank: Ein weiterer Vorteil ist die tägliche Ver- fügbarkeit für unsere internen und externen Kunden und unser Team. Immer ist eine von uns beiden als Ansprechpartnerin greifbar. Gibt es auch Probleme oder, schöner gesagt, „Herausforderungen“? Strauß: Für mich ist es durchaus gewöh- nungsbedürftig, los- und zuzulassen, dass eine zweite Person „meine“ Themen vor- antreibt. Zugleich ist es ein tolles Gefühl, wenn genau das geschieht. Das stärkt mich ungemein. Rank: Die Kunst ist es, in eine funktionierende und etablierte Führungssystematik einzu- steigen, auf Bestehendem aufzubauen und gleichzeitig eigene Akzente zu setzen. Wir sind beide sehr offen und energiegeladen – das ist eine perfekte Grundlage dafür. Wie tauschen Sie sich aus? Strauß: Wir haben den Luxus von ein bis zwei gemeinsamen Arbeitstagen pro Woche, was gerade in der Anlaufphase sehr wertvoll für uns ist. Und klar, wenn nötig, dann sprechen wir darüber hinaus auch am Telefon oder per Web-Konferenz. Rank: Wir arbeiten in der Abteilung sehr transparent. Verantwortlichkeiten, To-dos, Termine werden in Whiteboard-Meetings und Sprints besprochen und festgehalten. Dies hilft, bei einer hohen Themenvielfalt „up to date“ zu sein. – Henning Kranz Nina Schmid „Trotz Führungsverantwortung bleibt Zeit für operative Projekte“ HENNING KRANZ (39 JAHRE) UND NINA SCHMID (38) LEITEN GEMEINSAM DAS VERSICHERUNGSKAMMER CONSULTING. SIE SPRECHEN ÜBER HINTERGRÜNDE UND HERAUSFORDERUNGEN DES JOBSHARINGS. – Herr Kranz, Sie hatten die Abteilung bis Januar alleine geführt. Welche Vorteile hat das Jobsharing? Henning Kranz: Es ist eine Reaktion auf die stetig wachsende Nachfrage nach internen Beratungsleistungen. Jetzt teilen wir uns zu zweit die Führungsverantwortung und haben so beide auch Zeit für das operative Tagesgeschäft. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass diese Idee hervorragend aufgeht: Nina Schmid und ich konnten neben der klassischen Führung wichtige Initiativen des Konzerns erfolgreich mitbegleiten. Das wäre früher in dem Maße nicht vorstellbar gewesen. Ergänzend dazu freut es mich persönlich sehr, dass wir es mit diesem Modell geschafft haben, Nina Schmid nach bestandenem Führungskräfte-Nachwuchspro- gramm in unserem Team zu halten. Nina Schmid: Henning Kranz und ich haben im Herbst 2016 ziem- lich zeitgleich als Senior Berater im Versicherungskammer Consul- ting angefangen. Damals war das noch ein sehr kleines Team von vier Mitarbeitenden und einer Führungskraft. 2017/18 befand ich mich ein gutes Jahr in Elternzeit. Während meiner Abwesenheit hatte Henning Kranz die Leitung der Abteilung übernommen. Ich hatte schon vor der Elternzeit begonnen, mich in unserem hausinternen Führungskräfte-Nachwuchsprogramm auf die Rolle als Abteilungsleiterin vorzubereiten. Als ich im Herbst 2019 diese Weiterbildung abgeschlossen hatte, stand ich vor der Entschei- dung, dem Projektgeschäft treu zu bleiben oder eine andere Abteilung zu leiten. Die jetzt gefundene Lösung ist daher für mich perfekt: sich die Führung der mittlerweile bis zu 18 Mitarbeitenden zu teilen und gleichzeitig die Möglichkeit zu haben, bei Projekten und Initiativen inhaltlich mitzuwirken. Sie arbeiten beide in Vollzeit beziehungsweise vollzeitnah und teilen sich daher ja auch nicht eine Stelle, sondern im Grunde zwei Stellen. Wie haben Sie die Aufgaben unter sich aufgeteilt? Schmid: Alles rund um das Projektmanagement bearbeiten wir gemeinsam, etwa die Projektakquise, Projektbetreuung oder auch das Sparring für unsere Mitarbeitenden. Auch die Abteilungsent- wicklung gestalten wir zusammen. Geteilt sind die Führungsaufga- ben: Ein Teil unserer Mitarbeitenden wird von mir, der andere Teil von Henning Kranz betreut. Auch das Controlling und Recruiting wird von jeweils einem alleine gestemmt – wir tauschen uns aber aus und treffen auch hier Entscheidungen gemeinsam. Was klappt in Ihrem Fall des Jobsharings besonders gut? Kranz: Grundvoraussetzung ist sicherlich ein ähnliches Verständnis von Führungswerten. Schön ist es zu sehen, dass wir uns mit den Entscheidungen des anderen sehr gut identifizieren können und das gegenseitige Vertrauen in das Handeln des anderen haben. Gemeinsam Entscheidungen zu treffen bedeutet auch, die eigene Meinung vom Gegenüber hinterfragen zu lassen. Ich bin davon überzeugt, dass durch die gemeinsamen Diskussionen die Qualität der getroffenen Entscheidungen zugenommen hat. Was sind bei Ihnen die Problemstellen? Schmid: Die Herausforderung liegt meines Erachtens bei der Kommunikation und dem Austausch. Immer abgestimmt zu sein, ist per se nicht möglich. Wie tauschen Sie sich aus? Kranz: In einem täglichen Austauschformat von 30 Minuten, dem Daily, besprechen wir operative Themen des Tagesgeschäfts. Darüber hinaus haben wir einmal pro Woche einen klassischen Jour fixe, der es uns erlaubt, tiefer in Themen einzusteigen. Team- meetings führen wir gemeinsam durch, Entwicklungsgespräche je Mitarbeiter haben wir uns, siehe oben, aufgeteilt. – „Vermutlich geht immer viel mehr, als man zunächst denkt“ WIE SIEHT DIE CHEFIN VON EDITH STRAUSS UND DIANA RANK DIE KONSTELLATION? CLAUDIA SCHEERER, PRESSESPRECHERIN UND LEITERIN DER UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION, ANTWORTET. – ner oder -partnerinnen unterschiedliche Kompetenzen und unterschiedliches Wissen mitbringen, voneinander lernen können und somit die gesamte Abteilung von einem höheren Know-how profitiert. Unterschied- liche Sichtweisen auf ein Thema, eventuell auch unterschiedliche Herangehensweisen, erweitern den Handlungsrahmen auch für die Mitarbeitenden. Ganz abgesehen von einigen praktischen Vorteilen wie hoher Flexibilität oder unkomplizierten Vertretungsregelun- gen: Die Mitarbeitenden haben immer eine Ansprechperson, die ihre Themen kennt. Gibt es in Ihren Augen Grundvoraussetzun- gen, die ein Tandem mitbringen muss, damit es funktioniert? Scheerer: Am wichtigsten ist zunächst, dass sich die beiden Tandempartner gut verstehen und ohne Wenn und Aber hinter der Idee des Jobsharings stehen. Wichtig ist auch, dass beide zumindest mittelfristig die gleichen Entwicklungsziele haben. Idealerweise be- werben sich die Beschäftigten, die sich eine Stelle teilen wollen, bereits gemeinsam auf die Ausschreibung. Sind Ihrer Meinung nach alle Stellen für ein Jobsharing geeignet? Vermutlich geht immer viel mehr, als man zunächst denkt. Auch bei uns wäre vor einigen Jahren das Teilen einer Führungsstelle noch nicht auf große Akzeptanz gestoßen. Aber wir waren offen und machen gute Erfahrungen mit Tandems, auf Abteilungsleitenden- und Mitarbeitenden-Ebene. Was muss eine Führungskraft beachten, wenn sie „geteilte Stellen“ unter sich hat? Vertrauen ist meines Erachtens das A und O. Man muss sich darauf verlassen können, dass die Absprachen zwischen den Beschäftigten, die sich einen Job teilen, gut funktionieren, und jeder Tandempartner oder jede Tandempart- nerin zu den jeweils zu bearbeitenden Themen oder Projekten auskunftsfähig ist. Wichtig ist auch, die Mitarbeitenden für die Idee von zwei Führungskräften zu begeistern, denn gerade für sie bedeutet das eine deutliche Veränderung. Deshalb ist es besonders wichtig, allen zu sig- nalisieren, dass man hinter der Idee steht. – Claudia Scheerer Frau Scheerer, sind Sie vom Jobsharing überzeugt? Claudia Scheerer: Das kann ich uneinge- schränkt mit Ja beantworten. Zum einen, weil wir damit auch Kolleginnen und Kollegen, die aus welchen Gründen auch immer nur in Teil- zeit arbeiten können oder wollen, die Chance auf einen Arbeitsplatz bieten, der ihren Inter- essen und Fähigkeiten entspricht. Besonders gut aber gefällt mir, dass zwei Tandempart-